SuchenMedien

«Wieso gibt es eigentlich zwei Koreas?»

Nordkorea-Spezialist Rüdiger Frank* beantwortet Publikumsfragen, die im Rahmen einer Umfrage des Alpinen Museum der Schweiz gestellt wurden. Franks vollständiger Hintergrundbeitrag zur Geschichte Nordkoreas ist im Magazin zur Ausstellung «Let’s Talk about Mountains» nachzulesen.
Magazin bestellen

«Wieso wurde Korea geteilt?»

Global gesehen war eine der Ursachen der Teilung Koreas der zweite Weltkrieg, an dessen Ende der Sieg über Japan stand. Korea war seit 1910 japanische Kolonie und wurde damit sowohl Teil der Kriegshandlungen, als auch der Verhandlungen zwischen den USA und der Sowjetunion über die Aufteilung der Welt nach einem Sieg. Der aufkommende Kalte Krieg hat die zeitweilige Teilung in Besatzungszonen dann zementiert. Die gleiche Wirkung hatte auch der Korea-Krieg 1950-1953. Wenn wir auf die innenpolitische Ebene gehen, dann liegt die Ursache der Teilung Koreas in stark gegensätzlichen ideologischen Positionen, mit den diversen kommunistischen Gruppen auf der einen Seite, und der Oberschicht und dem unter den Japanern neu entstandenen Bürgertum auf der anderen. Dazwischen standen nationalistisch orientierte, oft christliche Gruppen, die im Laufe der Zeit entweder auf die eine oder die andere Seite gezogen wurden.

«Welche Rolle spielt Japan, welche Rolle spielt ‹der Westen› in dieser Geschichte?»

Japan ist als ehemalige Kolonialmacht (1910-1945) unter anderem dafür verantwortlich, dass es zu einer erheblichen Polarisierung der politischen Kräfte in Korea gekommen ist. Ihrer politischen Freiheitsrechte beraubt, konnten die Koreaner keinen Weg finden, über demokratische Wege diese Gegensätze auszufechten. Der Westen hat Korea lange Zeit einfach seinem Schicksal überlassen und das Land bestenfalls als Schachfigur, Verhandlungsmasse oder Kollateralschaden bei der Verfolgung seiner Interessen in Ostasien verwendet. Erst ging es um die Sicherung der Mandschurei, dann um die Wiederherstellung des Kolonialsystems, und später um den Kampf der Ideologien im Kalten Krieg.

«Ist Nordkorea für seine Bewohner*innen hermetisch abgeschlossen oder wissen diese etwas über den ‹Westen›?»

Die meisten Nordkoreaner*innen können nicht frei ins Ausland reisen und haben auch kein Internet. Es gibt aber sehr wohl Kontakte zu China, und Informationen kommen gerade über diesen Kanal zunehmend ins Land. Das Bild über den Westen ist also nicht vollständig, aber man weiß doch recht viel.

«Gibt es in Nordkorea Bewegungen, die sich gegen das System wehren?»

Es gibt derzeit keine offene Oppositionsbewegung, und auch das System an sich wird nicht in Frage gestellt. Allerdings ist immer wieder von zivilem Widerstand gegen lokale Behörden und Führungskräfte zu hören. Kim Jong Un nutzt das geschickt und stellt sich in seinen Reden hinter die Menschen, indem er offen und mit harten Worten unfähige Beamte kritisiert und Mängel anprangert.

«Weshalb ist Nordkorea gegenüber Grossmächten und (vermeintlichen) Einmischungen so empfindlich?

Gerade aufgrund der historischen Erfahrungen und des von der Elite und vom Staat erzeugten Selbstbildes reagieren Koreaner sehr empfindlich gegen jeden tatsächlichen oder angenommenen Angriff auf ihre Souveränität. Nationalismus ist de facto Staatsideologie. Das macht es der Führung leicht, sich als Verteidiger gegen ausländische Begehrlichkeiten zu profilieren.

«Weshalb legt sich die nordkoreanische Führung heute mit grossen Regierungen an und provoziert u.a. mit Atomtests?»

Es geht hier nicht primär um eine Konfrontation mit den USA oder die Übernahme der Weltherrschaft, sondern um Selbstverteidigung. Dem Schutz des Systems wird von der Führung die oberste Priorität eingeräumt, gerade auch mit Blick auf das Schicksal des Ostblocks vor 30 Jahren. Negative wirtschaftliche Folgen wie Sanktionen nimmt man dafür in Kauf. Der Großteil der Bevölkerung scheint diese Sicht der Dinge zu teilen.

«Weshalb unternimmt ‹die Welt› nichts gegen den Diktator?»

Es wird im Gegenteil sehr viel unternommen; die Sanktionen sind massiv, das Land ist isoliert. Doch mehr geht nicht, außer einer militärischen Intervention. Diese ist bisher zum Glück ausgeblieben, denn die Leidtragenden wären wie immer die einfachen Menschen. Ein Grund dafür ist sicher, dass Nordkoreas Führung durch ihr Militärprogramm erfolgreich das Risiko eines Angriffs auf ihr Land weit nach oben getrieben hat. Der Druck des Westens bestärkt Nordkorea also in seiner Atomstrategie und legitimiert in den Augen der Nordkoreaner die Handlungen des Regimes.

«Wird Nordkorea je frei sein?»

Das kommt auf die Definition von «Freiheit» an. Abhängigkeiten, Machtunterschiede und Einschränkungen sind überall Normalität. Wenn damit eine demokratische politische Ordnung gemeint ist – ja, das ist definitiv möglich, auch eine Verbesserung der Menschenrechte und Lebensverhältnisse.

Über den Autor:

Rüdiger Frank

Rüdiger Frank* ist Professor für Wirtschaft und Gesellschaft Ostasiens an der Universität Wien und leitet dort das Institut für Ostasienwissenschaften. Seit einem Sprachsemester in Nordkorea 1991/92 befasst er sich intensiv mit dem Land und bereist es regelmässig. Er ist Autor von «Nordkorea. Innenansichten eines totalen Staates» und «Unterwegs in Nordkorea. Eine Gratwanderung».

Magazin zur Ausstellung
«Let's Talk about Mountains»

Cover_Let's Talk about Mountains

«Let’s Talk about Mountains» lädt ein zum Hinsehen. Doch was bedeutet das Gezeigte, wenn wir mehr verstehen wollen als das, was wir sehen? Das begleitende Magazin zeigt in einem Bildessay die Schauplätze der Ausstellung, greift die Themen der Filmbilder auf, stellt sie in einen Kontext und bewertet sie. Mit Beiträgen internationaler Autorinnen und Autoren zu Themen wie Geschichte, Freizeit, Schule, Kunst usw.
Preis: 14 Franken
Bestellen

Biwak