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Spannendes und Skurriles aus der Sammlung

Was schlummert denn da in unserem Sammlungsdepot? Bei einer Reinigungsaktion haben wir zwischen Skis, Schlitten und Steigeisen einige abgefahrene Objekte gefunden. Diese stellen wir Ihnen nun in einer losen Reihenfolge vor...

Das weisse T-Shirt in der Sammlung

Chucky, die Rettungsschlittenpuppe

Ratrac-T-Shirt von Marco Gurtner

Ein simples T-Shirt mit aufgedrucktem schwarz-weiss Foto fand im Rahmen des Fundbüros für Erinnerungen: № 1 Skifahren Einzug in unsere Sammlung. Das T-Shirt hebt sich von den anderen Kleidungsstücken aus dem Fundbüro ab. Es ist nicht bunt, es gibt nicht warm und es ist mit Produktionsdatum 2019 noch sehr jung. Was macht es in der Museumssammlung?

Das T-Shirt gehört dem Poetry-Slammer Marco Gurtner – und er besitzt noch unzählige Stücke mehr davon. 2019 gewann er mit einem Text über Pistenfahrzeuge die Poetry-Slam Schweizer Meisterschaft. Das machte ihn als Ratrac-Fan bekannt. An einer Veranstaltung wurde er aufgefordert, einen Online-Werbetext live vorzutragen. Der Text vermarktete dieses T-Shirt mit Ratrac-Aufdruck. Da das Honorar des Abends in Form von Bier ausgezahlt wurde, war der Künstler bereits leicht alkoholisiert und performte nicht nur euphorisch den Werbetext, sondern bestellte gleich mehrere Exemplare des Shirts!

Die Fundbüro-Jury wählte das T-Shirt aber nicht wegen dieser Biergeschichte aus, sondern weil der Aufdruck einen wichtigen Aspekt des Skizirkus aufzeigt – dass hinter dem spassigen Pistenvergnügen mühsame Arbeit in der Präparierung des Schnees steckt.


Der Schnellste dank Fondue?

Chucky, die Rettungsschlittenpuppe

Kochtopf von Erhard Loretan

Als Extrembergsteiger vollbrachte Erhard Loretan körperliche Höchstleistungen. Die Mahlzeit, die ihm die nötige Energie lieferte, war durchaus ungewöhnlich. Loretan bevorzugte es am Fusse der höchsten Bergen der Welt in diesem Topf ein «Fondue» zuzubereiten. Dass diese Ernährungsgewohnheit etwas skurril anmutet, war ihm damals schon bewusst. Im Buch «Erhard Loretan. Den Bergen verfallen» schreibt er dazu: «Ernährungsfachleute werden sagen, dass wir die Besteigung des Shisha Pangma schneller verdaut haben werden als den Fettanteil von 75 Prozent in der Fondue-Käsemischung.»


In Sandalen den Berg hoch?

Chucky, die Rettungsschlittenpuppe

Japanische Sandalen aus Pflanzenfasern, 1910

Diese Schuhe tanzen aus der Reihe. Und zwar aus mehreren Gründen: Sie bestehen nicht aus Leder und Metall, wie die meisten Schuhe unserer Sammlung. Neben den groben Berg- und Skischuhen wirken die Sandalen aus Pflanzenfasern besonders filigran. Auch ihre Herkunft ist für unsere Sammlung aussergewöhnlich: Sie stammen aus Japan. Doch wie kamen sie in unsere Sammlung? Und welchen Bezug haben die Sandalen zu Bergen? 

Gemäss Nachweisakten schenkte Catharina Sturzenegger diese Sandalen 1910 zusammen mit einem japanischen Gletscherpickel sowie Gamaschen aus Pflanzenfasern dem Alpinen Museum. Sturzenegger reiste 1904 als Abgesandte des Roten Kreuzes während des russisch-japanischen Krieges nach Japan. Nach Kriegsende blieb sie im Land und nahm 1909 an einer Expedition zum Fujiyama teil. Sie erreichte als erste Frau den Gipfel des höchsten Berges in Japan. Vermutlich nahm sie die Objekte als Erinnerung an die Expedition mit in die Schweiz. Ob sie Pickel und Sandalen tatsächlich bei der Expedition verwendete, ist nicht überliefert.


Haed-Ski ­– mit den Coolen mithalten

Chucky, die Rettungsschlittenpuppe

Holzskis aus Fassdauben mit Kabelbindung, ca. 1960

Glänzende Oberfläche, rabenschwarz, blitzschnell – der Head Ski mit der neuen Metallsandwich-Bauweise war der Traum vieler Nachwuchs-Skifahrerinnen um 1960. Wer sich die Neuheit nicht leisten konnte, musste kreativ werden. Wieso komplizierte Bauweise, wenn es auch zwei Fassdauben tun? Und wieso rabenschwarzer Lack, wenn sich rote Farbreste auftreiben liessen? Das Anbringen des amerikanischen Markennamens stellte sich zwar als Herausforderung dar, minderte aber in keiner Weise das Freiheitsgefühl, das sich einstellte, wenn man auf den selbstgebauten Brettern die Hänge runterraste.


Die Rettungsschlittenpuppe

Chucky, die Rettungsschlittenpuppe

Modell einer Schlittentragbahre System Dr. Lardy, 1905

Wenn diese Puppe senkrecht gehalten wird, öffnet sie die Augen (Für Mutige: Link zum Video) Unsere Mitarbeiterin zuckte zusammen, als sie dieses Objekt aus dem Regal hob. Die über 100-jährige gefesselte Puppe ist etwas unheimlich. Und dieser Eindruck verstärkt sich im 4. Untergeschoss unseres Depot. Schliesslich wird man da nicht jeden Tag von einem Objekt angeblinzelt. Was die Puppe in der alps-Sammlung macht? Zum Hintergrund des Objektes ist nur wenig überliefert: Die Sammlungsverantwortlichen rätseln, ob sie für Schulungszwecke in der Bergrettung oder zur Anschauung im Museum angefertigt wurde.


Der Sitzstock

Spazierstöcke, Wanderstöcke, Bergstöcke, Skistöcke: Wir haben eine Vielfalt von Stöcken in unserer Sammlung. Aber dieser hier sticht heraus, denn es ist der einzige Sitzstock...

Sitzstock transportbereit
Sitzstock aufgeklappt

Sitzstock von Edmund von Fellenberg, ca. 1850

Ein Objekt für Genusswanderer: Der Sitzstock. Einfach aufklappen, hinsetzen und die Aussicht geniessen. Sehr praktisch im vorletzten Jahrhundert, als die Wanderwege noch nicht von Bänken gesäumt waren. Und Berggänger noch toleranter waren gegenüber unnötigem Gewicht. Der Besitzer war weit mehr als ein Schönwetterwanderer: Edmund von Fellenberg war Gründungsmitglied des SACs und Erstbegeher zahlreicher Routen.


Bergsteiger aus Lego

Dieses Objekt ist Sinnbild für Sammlungsarbeit: Um jedes noch so kleine Bestandteil wurde mit viel Fingerspitzengefühl ein Inventar-Nümmerchen gebunden. Wir danken den ehemaligen Mitarbeitenden für ihre Geduld und Genauigkeit. Kaum vorstellbar wie unsere Sammlungsverantwortlichen den wenige Millimeter messenden Mini-Helm identifizieren und zuordnen könnten ohne diese Information. Vielleicht überrascht es Sie, aber auch Spielzeug ist eine interessante Quelle für zeitgenössische Berufsbilder und Stereotypen.

Deutlich wird dies im Text zur Figur: «Der Bergsteiger klettert nicht nur zum Spaß auf die Berge, er ist auch ein ausgebildetes und hochqualifiziertes Mitglied der Bergwacht! Wenn jemand an einem steilen Hang festsitzt, wird er zur Rettung gerufen. Ob er sich bei Wind und Wetter von einem Hubschrauber abseilt oder sich mit medizinischer Ausrüstung einen verschneiten Bergpfad hinaufkämpft, er gibt niemals auf und verliert niemals die Hoffnung.»

Legofigur Bergsteiger

Spielzeugfigur Lego «Bergsteiger», 2014

Der Bergsteiger in der Höhe: Ein Idealbild, das nicht nur bei Lego, sondern auch in zahlreichen Büchern und Filmen des 20. Jahrhunderts reproduziert wird. Eine weibliche Bergsteiger-Figur gab es übrigens 2014 nicht...


Handgemachte Hütten

Eine skurrile Sammlung an sich: unsere Hüttenmodelle. Insgesamt 48 Häuschen lagern in unserem Depot. Einige sind ganz klein, andere gross und schwer, teilweise sehr detailreich, manchmal auch grob gearbeitet. Wir fragen uns beim Betrachten: Wer hat diese angefertigt? Zu welchem Zweck?

Ein Brief von 1937 an den Museumsdirektor gibt Auskunft. Darin erzählt ein Herr Dr. Streiff Becker von seinem Museumsbesuch in Bern. Bei der Betrachtung des ausgestellten Modells der Grünhornhütte stellt er fest, dass dieses nicht die Hütte im Originalzustand darstellt. Grund genug für ihn, selbst Hand anzulegen. Er schildert:
«Ich habe mir das Vergnügen gemacht, im Laufe des Winters das Modell nach der ältesten Photographie und nach den Aufzeichnungen im Archiv der SAC Sektion Tödi herzustellen.»

Legofigur Bergsteiger

Modelle im Uhrzeigersinn von oben rechts: erste Grünhornhütte, 1937; alte Panossièrehütte, undatiert; Cabane Bordier, 1937; Albert Heim Hütte, undatiert


Spurlose Schmugglerschuhe

Das Alpine Museum der Schweiz verzeichnet rund 219 Datenbankeinträge zum Stichwort «Schuh». Keine Überraschung, schliesslich ist das richtige Schuhwerk essenziell bei alpinistischen Unternehmungen in Felsen, Eis und Schnee. Diese Finken aus Sacktuch ohne jegliches Profil stechen jedoch aus der Schuhsammlung heraus. Wozu wurden sie gebraucht? 

Die Überschuhe wurden von Schmugglern genäht und hatten den Zweck, Fussspuren unkenntlich zu machen. So erzählt dieses Objekt keine Geschichte des Bergsports, sondern eine Wirtschaftsgeschichte. Für die arme Bergbevölkerung in grenznahem Gebiet war der illegale Schmuggel lange Zeit eine willkommene Einkommensquelle.

Tabak, Alkohol und Kaffee waren beliebte Schmugglerwaren sowie haltbare Nahrungsmittel. Italien belegte Waren ab 1870 mit hohen Schutzzöllen. Es lohnte sich, Lebensmittel in der Schweiz einzukaufen, nach Italien zu bringen und dort gewinnbringend weiter zu verkaufen.

Legofigur Bergsteiger

Schmugglerschuhe aus dem Val Colla, 1890-1910


Biwak