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Wer bestimmt, was gesammelt wird?

In der Sammlung des Alpinen Museums der Schweiz sind Frauen deutlich untervertreten. Die zweite Ausgabe des «Fundbüro für Erinnerungen» will dies ändern. Projektleiterin Rebecca Etter erklärt im Interview, weshalb das Leerstellen-Füllen neue Lücken sichtbar macht.

Das Fundbüro №2 widmet sich «Frauen am Berg». Wieso dieses Thema?

Am Anfang stand die These, dass es in der Sammlung des Alpinen Museums fast keine Objekte oder Fotographien von Frauen gäbe. Diese Lücke in der Sammlung hat sich nun nach ersten Recherchen bestätigt. Obwohl nicht immer eindeutig auszumachen ist, aus welchem Gebrauch ein alpinistischer Gegenstand tatsächlich stammt. Geschlecht war bei der Gründung unserer Sammlung keine Suchkategorie. Dennoch können wir sagen: Frauen sind in der Sammlung deutlich untervertreten. Anlässlich des Jubiläumsjahres von 50 Jahren Frauenstimmrecht wollen wir Frauen eine Plattform geben, um ihre Geschichten und Erfahrungen zum Bergsteigen zu erzählen. Das Fundbüro №2 ist ein partizipatives Sammlungsprojekt, bei welchem wir aktiv auf Menschen zugehen und diese zur Teilhabe motivieren.

Unser Ziel ist es, die Lücke in der Sammlung mit Erinnerungen, Wissen und alpinistischen Gegenständen von Frauen zu beleben. Gleichzeitig ist uns bewusst, dass wir die Leerstellen nicht endgültig füllen können und dass neue Lücken sichtbar werden, denn Geschichten von Alpinistinnen waren meist Geschichten von weissen Frauen, die aus gutbürgerlichem Haus stammten. Wir wollen aber die ganze Vielfalt von weiblichen Identitäten und deren Bezug zum Alpinismus sichtbar machen.


Wie finden wir Zugang zu Geschichten aller Geschlechter? 

Wir versuchen dies, indem wir aktiv auf Menschengruppen zugehen. Dazu brauchen wir auch Türöffnerinnen und Türöffner, die uns Zugang zu gewissen Communities und Gesellschaftsgruppen verschaffen. Wir wollen ein Angebot an ganz verschiedenartigen Geschichten erschaffen. Um ein diverses Frauenbild im Alpinismus zu zeigen, ist es wichtig, Geschichten von Menschen unterschiedlichster sexueller Orientierung, kultureller Hintergründe oder sozialen Geschlechtes weitergeben zu können. Dafür sind wir im Austausch mit einer Fachexpertin des Interdisziplinären Zentrums für Geschlechterforschung (IZFG) in Bern, die uns unsere eigenen blinden Flecken bewusst macht. 

Es ist uns aber auch wichtig, klassische Geschichten zu erzählen. Geschichten, von pensionierten Frauen, die den Alpinismus der Mutterrolle opferten. Geschichten von Müttern, die kritisiert wurden, weil sie genau dies nicht zuliessen. Oder Geschichten von Alpinistinnen, die kinderlos blieben – und sich dafür rechtfertigen mussten. Diese Geschichten sind noch immer aktuell.

Schliesslich wollen wir aber auch einfach Frauen hören, die leidenschaftlich über den Alpinismus sprechen. Nicht weil sie Frauen, sondern weil sie Expertinnen und Pionierinnen sind.  


Wie müssen wir sammeln, damit nachfolgende Generationen eine diversere Geschichte erhalten? 

Mit dem partizipativen Sammlungsprojekt «Fundbüro für Erinnerungen» werfen wir auch die Frage auf: Wer bestimmt, welche Geschichten weitergegeben werden? Aus welcher Perspektive soll erzählt werden? In der Vergangenheit wurden Geschichten von Frauen viel weniger häufig gesammelt. Über die Gründe dafür können wir nur mutmassen. Wir wollen mit dem Fundbüro einen Raum für Dialog schaffen. Vor Ort oder via digitale Plattform können alle Menschen ihr Wissen und ihre Erfahrungen einbringen. Zudem wollen wir im Austausch mit Fachexpertinnen und Alltagsexperten im Anschluss entscheiden, welche neuen Geschichten und Objekte Eingang in die Sammlung finden. Wir möchten uns überraschen lassen, welche Gedanken wir noch gar nicht haben. 

Bilder: Bergsteigerinnen um 1950 (Marta Attinger © Alpines Museum der Schweiz)


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